
Prävention, die verbindet
Wie Begegnung, Beteiligung und Bewegung Gewalt vorbeugen kann
Soziale Arbeit mit Sport und Bewegung als Schlüssel zur Gewaltprävention?
Gewalt ist ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft – manchmal sichtbar, manchmal verborgen. Aktuell rückt sie wieder stärker in den Fokus, und wir stehen vor der Frage, wie wir ein respektvolles Miteinander gestalten können. Sport wird oft als „Wundermittel“ der Gewaltprävention betrachtet, doch so einfach ist es nicht. Er kann Teamgeist und Fairness fördern, aber auch Aggressionen und Konfliktsituationen verstärken. Entscheidend sind gezielte Konzepte und Strukturen, die Sport und Soziale Arbeit sinnvoll verbinden. In dieser Interviewreihe stellen wir Projekte und Initiativen vor, die genau das tun. Heute im Gespräch mit Simon Diedrich und Helmut Heitmann von der Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit (GSJ).
Simon Diedrich ist Diplom-Sozialpädagoge. Mit rund 30 Jahren Berufserfahrung in verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit ist er seit 2010 bei der GSJ tätig. Aktuell leitet er die Projekte [ankommen], KICK und SpOrt365.
Helmut Heitmann studierte Erziehungswissenschaften und absolvierte eine Ausbildung zum Supervisor. Nach beruflichen Stationen an Hochschulen, im Jugendamt und bei freien Trägern der Jugendhilfe ist er seit dem Jahr 2000 bei der GSJ beschäftigt.
Das Projekt KICK der Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit (GSJ) Berlin engagiert sich in der Gewaltprävention und sozialen Integration gefährdeter Kinder und Jugendlicher. In Zusammenarbeit mit Schulen, Sportvereinen, Polizei und weiteren lokalen Akteur:innen werden niedrigschwellige Sport- und Bildungsangebote geschaffen, um jungen Menschen in benachteiligten Bezirken Berlins neue Perspektiven zu bieten.
Durch gezielte Maßnahmen wie Präventionstage in Schulen, sportbezogene Sozialkompetenztrainings oder Kooperationen mit Sportvereinen fördert KICK soziale Integration und persönliche Entwicklung. Dabei richten sich die Angebote vorrangig an Jugendliche und junge Erwachsene mit sozialen und kommunikativen Defiziten, problematischen Konfliktlösungsstrategien und/oder Menschen, die bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten sind. Neben der eigenen sozialpädagogischen Arbeit vermittelt das Projekt Jugendliche in Freizeit- und Sportangebote, unterstützt Vereine im Umgang mit herausfordernden Jugendlichen und wird durch weitere Teilprojekte wie "Bleib Cool am Pool", wo deeskalierend in Berliner Schwimmbädern gearbeitet wird, ergänzt. Sport dient dabei als Medium zur Gewaltprävention, Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftlichen Teilhabe.
Schwerpunkte und Projekte innerhalb des KICK Programms: Sportbezogene Freizeitangebote und Hilfen, Vermittlung in Kooperation mit Polizei, Schulen und Jugendeinrichtungen, Prävention, Intervention und Schulungen im Stadtteil, Turniere mit Fairplay-Ansatz, Unterstützung bei der Selbstorganisation und Teilhabe z.B. „Bleib cool am Pool“, KICK SchoolTeam
Weitere Informationen: https://gsj-berlin.de/kick/
Die Gesellschaft für Sport und Jugendsozialarbeit (GSJ) Berlin ist seit vielen Jahren im Bereich der Gewaltprävention aktiv. Angesichts der Tatsache, dass Themen wie Jugendgewalt und soziale Konflikte wieder verstärkt in den öffentlichen Fokus rücken, gewinnen präventive Ansätze wieder mehr an Bedeutung. Könnt ihr uns einen Einblick geben, wie sich die Projekte und Arbeitsansätze der GSJ im Laufe der Zeit entwickelt haben und welche grundlegenden Prinzipien dabei besonders prägend für eure Programme sind?
Helmut Heitmann: Unsere Arbeit hat in den 1990er Jahren begonnen – damals noch mit einem eher klassischen Ansatz. Die Polizei hat auffällige Jugendliche an uns vermittelt, mit dem Ziel, sie durch die Integration in Sportvereine wieder in stabilere Bahnen zu lenken. Mit der Zeit haben wir gemerkt, dass es nicht ausreicht, Jugendlichen einfach nur den Zugang zu regulären Vereinsstrukturen zu ermöglichen. Denn viele von ihnen haben tiefere soziale oder kommunikative Herausforderungen mitgebracht, die im klassischen Vereinssystem oft nicht ausreichend aufgefangen werden konnten. Deshalb haben wir begonnen, eigene Sportangebote mit sozialpädagogischer Begleitung zu entwickeln. Angebote, die gezielt auf die Lebenslagen der Jugendlichen eingehen und ihnen einen sicheren Rahmen bieten. Heute liegt unser Fokus ganz klar auf einer langfristigen und nachhaltigen Begleitung. Sport ist für uns dabei nicht nur Bewegung – sondern ein pädagogisches Medium. Es geht darum mithilfe von sportorientierter Sozialer Arbeit gewaltfreie Konfliktlösungen zu vermitteln, soziale Kompetenzen zu stärken und Resilienz zu fördern. Unser KICK-Projekt zeigt, wie man den traditionellen Sportgedanken mit modernen präventiven Ansätzen verbinden kann.
Das heißt, dass Gewaltprävention durch Sport nicht einfach nur bedeutet, Jugendliche auf den Platz zu stellen und sie spielen zu lassen, richtig? Ihr sprecht von einer gezielten pädagogischen Begleitung: Welche konkreten Methoden und Strukturen haben sich denn als besonders erfolgreich erwiesen, um Jugendlichen nicht nur den Sport selbst, sondern auch soziale Werte und Kompetenzen zu vermitteln?
Simon Diedrich: Wir arbeiten mit verschiedenen Methoden, die wir je nach Projektziel und Zielgruppe anpassen. Besonders bewährt hat sich die Kombination aus Sportangeboten und anschließender Reflexion. Das heißt: Sport steht bei uns nie für sich allein, sondern wird immer mit pädagogischen Inhalten verbunden. Ein gutes Beispiel hierfür sind unsere Sozialkompetenztrainings: Die Jugendlichen machen in der Sporteinheit Erfahrungen mit Teamarbeit, Fairness, Frustrationstoleranz oder dem Umgang mit Regeln. Diese Erlebnisse greifen wir nach dem Training in Reflexionsrunden wieder auf und besprechen zum Beispiel Konfliktsituationen. So können die Teilnehmenden ihre Erfahrungen reflektieren und einordnen. Außerdem unterstützen wir die Jugendlichen dabei, diese Erfahrungen auf andere Lebensbereiche zu übertragen. Aktuell erreichen uns viele Anfragen von Schulen an diesen speziellen Trainings - die Nachfrage ist derzeit kaum zu bewältigen.

Neben euren Sozialkompetenztrainings bedient ihr euch auch dem „Peer-to-Peer“ Ansatz: Jugendliche werden aktiv eingebunden und werden nicht nur als Adressat:innen von Programmen betrachtet. Warum setzt ihr auf diesen Ansatz, und welche Rückmeldungen bekommt ihr von den Jugendlichen selbst?
Helmut Heitmann: In der Gewaltprävention ist es uns wichtig, nicht nur auf das sichtbare Verhalten zu schauen, sondern auch auf die Ursachen, die dahinterliegen. Gewalt entsteht selten einfach so. Oft sind es Faktoren wie soziale Ausgrenzung, fehlende Perspektiven, Ungerechtigkeit oder auch erlernte Muster aus dem Umfeld, die eine Rolle spielen. Die Entstehung von Gewalt ist komplex und genauso vielfältig müssen auch die Antworten darauf sein. Es gibt nicht den einen richtigen Weg. Deshalb setzen wir auf eine breite Palette an Ansätzen, die nah an den Lebensrealitäten der Jugendlichen sind.
In der Gewaltprävention ist es uns wichtig, nicht nur auf das sichtbare Verhalten zu schauen, sondern auch auf die Ursachen, die dahinterliegen. Gewalt entsteht selten einfach so. Oft sind es Faktoren wie soziale Ausgrenzung, fehlende Perspektiven, Ungerechtigkeit oder auch erlernte Muster aus dem Umfeld, die eine Rolle spielen.
Ein wichtiger Baustein dabei ist der Peer-to-Peer-Ansatz: In Berliner Schwimmbädern, zum Beispiel, arbeiten wir mit jugendlichen Konfliktlots:innen. Sie kommen mit den Menschen vor Ort in Kontakt und unterstützen bei Konfliktsituationen. Diese Jugendlichen kommen häufig selbst aus den Sozialräumen, in denen sie aktiv sind und kennen dadurch die Lebensrealitäten vor Ort. Sie begegnen Menschen auf Augenhöhe und übernehmen gleichzeitig Verantwortung für ihren Kiez. Die Peer-Konfliktlots:innen ergänzen unsere pädagogische Arbeit sinnvoll und es steht eine Win-Win-Situation für beide Seiten: Die Jugendlichen, die in dieser Rolle aktiv sind, werden von uns gezielt geschult und durchlaufen verschiedene Qualifikationen. Das stärkt nicht nur ihre Handlungssicherheit im Projektalltag, sondern wirkt sich auch positiv auf ihre persönliche Entwicklung aus. Gleichzeitig ist zu betonen: Konfliktlots:innen können keine Fachkräfte ersetzen – und das ist auch nicht ihr Ziel. Aber sie schaffen wichtige Vertrauensräume und eröffnen Zugänge, die Erwachsenen verschlossen bleiben. Gewaltprävention braucht Zusammenarbeit und vielfältige Ansätze. Wir bei der GSJ setzen auf die Kombination von Peer-Arbeit, Kooperation mit der Polizei, sinnvollen Freizeitangeboten, der Förderung sozialer Kompetenzen, Elternarbeit und dem Aufbau von Gemeinschaft - nur um einige zu nennen.
Ich möchte nochmal stärker auf „Bewegung als Mittel“ eingehen: In euren Programmen – aber auch schon in eurem Namen – verbindet ihr Sport mit professioneller Sozialer Arbeit. Während Soziale Arbeit in vielen Kontexten vor allem auf verbale Kommunikation und methodische Ansätze setzt, nutzt ihr gezielt den sportlichen Zugang. Warum habt ihr euch für diesen Ansatz entschieden und welche Vorteile seht ihr darin?
Simon Diedrich: Sport und Bewegung spielen bei uns eine wichtige Rolle, vor allem, wenn es darum geht, mit jungen Menschen in Kontakt zu kommen, die über klassische, oft verbale Angebote nur schwer erreichbar sind. Gerade bestimmte Zielgruppen, wie zum Beispiel junge Männer, reagieren auf Gesprächsformate häufig mit Zurückhaltung. Über Bewegung – und speziell über Sport – schaffen wir einen niedrigschwelligen Zugang. Denn: Bewegung macht Spaß, lockert auf und senkt die Hemmschwelle, überhaupt mitzumachen. Erst über die Bewegungsangebote entsteht eine Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Sport schafft also Brücken, wo rein verbale Ansprachen nicht weiterkommen. Außerdem unterstützen Sport- und Bewegungselemente die sozialpädagogische Arbeit: Viele Teilnehmende berichten, dass sie über die Bewegung lernen, besser mit Emotionen umzugehen. Das sind Erfahrungen, die sie auch im Alltag weiterbringen.
Also spielen Sport und Bewegung bei euch eher eine unterstützende, aber nicht die zentrale Rolle. Vielmehr stehen bei euch die Begegnung und der Austausch im Vordergrund. Besonders spannend finde ich da die Zusammenarbeit mit der Polizei, da solche strukturierten Begegnungen noch nicht weit verbreitet sind. Wie genau findet das statt und wie reagieren die Teilnehmenden darauf?
Helmut Heitmann: Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist ein zentraler Bestandteil unseres KICK-Programms, besonders in der Arbeit mit jungen Geflüchteten. Schon früh hat KICK auf Kooperationen mit der Polizei gesetzt - zu einer Zeit, als das in der Sozialen Arbeit noch wenig üblich war. Unsere Angebote verstehen wir als allgemeine Prävention: Sie sollen rechtliche Grundlagen und die Funktion der Polizei in Deutschland vermitteln. Diese unterscheiden sich teilweise stark zu den Erfahrungen aus den Herkunftsländern der Jugendlichen. Dabei betonen wir auch die unterschiedlichen Rollen von Polizei und Sozialer Arbeit, die jeweils eigene Aufgaben erfüllen. In Workshops, die von pädagogischen Fachkräften begleitet werden, kommen die Jugendlichen direkt mit Polizist:innen, zunehmend mit jungen Polizeianwärter:innen, ins Gespräch. So entsteht ein Austausch auf Augenhöhe, der Fragen ermöglicht, Unsicherheiten abbaut und das Verständnis für die Polizei in einer demokratischen Gesellschaft fördert. Aber auch die Polizei profitiert von diesen Austauschformaten: Sie erhält realistische Einblicke in die Lebenswelten der Jugendlichen. Oft mit dem Effekt, dass Vorurteile auf beiden Seiten abgebaut werden. Viele Jugendliche berichten, dass sie sich zum ersten Mal ernst genommen und wirklich gesehen fühlen. Für uns sind solche Begegnungen ein wichtiger Schritt hin zu einem respektvollen Miteinander.
Eure Konzepte im Bereich der Gewaltprävention scheinen schon ziemlich ausgereift. Doch welche Herausforderungen begegnen euch in der Praxis, insbesondere wenn es darum geht, eure Angebote langfristig zu sichern? Woran scheitert es, dass solche Programme flächendeckend ausgebaut werden?
Simon Diedrich: Eine der größten Herausforderungen in unserer Arbeit ist tatsächlich die Finanzierung und damit verbunden auch die strukturelle Anerkennung unseres Arbeitsfeldes. Unsere Angebote sind klar präventiv ausgerichtet und genau das ist häufig das Problem: Prävention ist schwer messbar. In politischen und finanziellen Entscheidungen liegt der Fokus oft auf kurzfristigen Lösungen für akute Probleme. Nachhaltige, vorbeugende Ansätze bekommen dabei leider zu wenig Aufmerksamkeit. Was wir aber brauchen sind langfristige Förderungen, die stabile Strukturen ermöglichen. Es kann nicht sein, dass wir ständig Projektgelder neu beantragen müssen, obwohl der Bedarf an unseren Angeboten kontinuierlich wächst. Dauerhafte Finanzierung würde nicht nur Planungssicherheit bringen, sondern auch die Qualität unserer Arbeit stärken.
Denn aktuell scheitert der Ausbau unserer Programme nicht am Bedarf, denn der ist groß: Schulen, Polizei, Vereine fragen zunehmend nach unseren Angeboten. Die eigentlichen Hürden sind struktureller Natur: unsichere Finanzierung, zu wenig Personal und oft auch ein Mangel an geeigneten Sportflächen.
Ein großes Potenzial sehen wir in einer engeren Zusammenarbeit zwischen der professionellen Sozialen Arbeit und dem organisierten Sport – insbesondere, wenn beide Bereiche mit einer gemeinsamen Stimme sprechen würden. Damit ließe sich politisch und strukturell deutlich mehr bewegen. Entscheidend dafür ist, dass die Rollen klar definiert sind und keine Konkurrenz entsteht, sondern echte Partnerschaft. Es braucht Kooperation auf Augenhöhe besonders zwischen Jugendhilfe, Schulen und Sportvereinen. Soziale Arbeit darf dabei nicht als „Ausputzer“ oder bloße Aushilfe wahrgenommen werden, sondern muss als gleichwertiger Partner ernst genommen und entsprechend honoriert werden. Nur wenn alle Beteiligten verlässlich zusammenarbeiten, können nachhaltige und niedrigschwellige Strukturen für präventive Angebote entstehen. Das wäre nicht nur ein Fortschritt für unser Themenfeld – sondern vor allem für die Jugendlichen, die wir mit unserer Arbeit erreichen und stärken wollen.

Mit Blick in die Zukunft habt ihr bereits einige zentrale Punkte angesprochen – insbesondere die Notwendigkeit einer stärkeren Kooperation zwischen verschiedenen Institutionen und Fachbereichen. Welche weiteren Entwicklungen oder strukturellen Veränderungen wären aus eurer Sicht erforderlich, um das Arbeitsfeld Soziale Arbeit mit Sport und Bewegung nachhaltig zu stärken?
Simon Diedrich: Aus unserer Sicht ist eine engere Verzahnung von Sozialer Arbeit, Sport und Wissenschaft dringend notwendig. Hochschulen könnten hier eine viel stärkere Rolle einnehmen, indem sie das Potenzial von Sport, Spiel und Bewegung in der Sozialen Arbeit sowohl in der Lehre als auch in der Forschung systematisch verankern. Gerade in der wissenschaftlichen Begleitung sportbasierter Präventionsangebote sehen wir großes Potenzial – nicht zuletzt, weil wir hier auf eine langjährige, erfolgreiche Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Berlin zurückblicken können. Diese Zusammenarbeit ist für beide Seiten eine Win-win-Situation: Die Hochschule liefert wissenschaftliche Perspektiven und Evaluationsansätze, wir bringen unsere Praxiserfahrung ein – das führt dazu, dass unsere Angebote stetig weiterentwickelt und an aktuelle Bedarfe angepasst werden können. Was es darüber hinaus braucht, ist mehr politische Anerkennung von Sport und Bewegung als pädagogisches Werkzeug. Sportbezogene Soziale Arbeit kann soziale Kompetenzen fördern, die Teamfähigkeit stärken, gewaltpräventiv wirken und Jugendlichen neue Perspektiven eröffnen – das erleben wir täglich in unserer Arbeit. Doch damit solche Angebote nachhaltig sind, braucht es bundesweite Strategien und eine gesicherte strukturelle Basis. Denn aktuell scheitert der Ausbau unserer Programme nicht am Bedarf, denn der ist groß: Schulen, Polizei, Vereine fragen zunehmend nach unseren Angeboten. Die eigentlichen Hürden sind struktureller Natur: unsichere Finanzierung, zu wenig Personal und oft auch ein Mangel an geeigneten Sportflächen. Wenn wir diese Rahmenbedingungen verbessern könnten, würde unsere Arbeit noch deutlich mehr bewirken. Dann könnten wir mehr junge Menschen erreichen, langfristig zur gesellschaftlichen Stabilität beitragen und echte Alternativen zu Gewalt und Kriminalität aufzeigen.
Was wir aus dem Interview mitnehmen:
1. Sport als pädagogisches Medium
Bei der GSJ wird Sport nicht nur als körperliche Aktivität verstanden, sondern als Mittel zur sozialen und emotionalen Entwicklung. Durch gezielte sozialpädagogische Begleitung werden Erfahrungen aus dem Sport – wie Teamarbeit, Fairness oder Frustrationstoleranz – reflektiert und in den Alltag der Jugendlichen übertragen. Darüber hinaus können Sport und Bewegung den Zugang zu schwer erreichbaren Zielgruppen ermöglichen.
2. Peer-to-Peer-Ansätze stärken Vertrauen
Gleichaltrige Konfliktlots:innen, wie im Projekt „Bleib cool am Pool“, wirken authentisch und erreichen Jugendliche oft besser als Erwachsene. Sie sprechen dieselbe Sprache und kennen den Sozialraum aus eigener Erfahrung. Dieser Ansatz ergänzt die professionelle Arbeit auf sinnvolle Weise. Gleichzeitig übernehmen die Lots:innen Verantwortung für ihren Kiez, gestalten ihr Umfeld aktiv mit und erwerben durch die Qualifikation wichtige Kompetenzen für die eigene persönliche Entwicklung.
3. Ursachen statt Symptome betrachten
Gewalt hat oft komplexe Ursachen – etwa soziale Ausgrenzung, fehlende Perspektiven oder belastende Lebenssituationen. Sie kann sich allmählich entwickeln oder auch spontan und situativ eskalieren. Prävention sollte daher nicht nur das Verhalten, sondern auch die Lebensumstände der Menschen einbeziehen. Dafür braucht es Zeit, Kontinuität und eine verlässliche, professionelle Begleitung.
4. Kooperation und Vernetzung über Fachgrenzen hinweg
Die GSJ betont die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur:innen wie professioneller Sozialer Arbeit, Sportvereinen, Schulen und Polizei. Nur durch eine enge Vernetzung und Kooperation auf Augenhöhe kann eine nachhaltige, zugängliche Infrastruktur für Präventionsarbeit geschaffen werden.
5. Strukturelle Hürden abbauen
Viele Projekte kämpfen nicht mit zu wenig Nachfrage, sondern mit instabiler Finanzierung, Personalmangel und fehlenden Räumen. Prävention muss als langfristige Aufgabe anerkannt und entsprechend gefördert werden. Nur so können stabile Angebote entstehen.

Leonie Endewardt ist Sozialarbeiterin und leidenschaftliche Sportlerin mit langjähriger Vereinserfahrung. Seit 2022 engagiert sie sich bei MOBILEE in den Bereichen Positionspapier, Social Media und interne Organisation und steht in engem Austausch mit dem Netzwerk, um vor allem Bedarfe aus der Praxis aufzunehmen.
Ein besonderer Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Gewaltprävention im Bereich „Soziale Arbeit mit Sport und Bewegung“, zu dem sie auch ihre Bachelorarbeit verfasste. In diesem Rahmen verantwortet sie die Gewaltpräventionsreihe im MOBILEE MAGAZIN.
Hinweis: Die in diesem Interviewbeitrag verwendeten Bilder wurden mithilfe künstlicher Intelligenz generiert.