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Glossar

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"Black Box" im Sinne Latours

 „Mit diesem Ausdruck aus der Wissenschaftssoziologie ist das Unsichtbarmachen wissenschaftlicher und technischer Arbeit durch ihren eigenen Erfolg gemeint. Wenn eine Maschine reibungslos läuft, wenn eine Tatsache feststeht, braucht nur noch auf Input und Output geachtet zu werden, nicht mehr auf ihre interne Komplexität. Daher das Paradox: je erfolgreicher Wissenschaft und Technik sind, desto undurchsichtiger und dunkler werden sie“. Latour, B. (2002). Die Hoffnung der Pandora. Untersuchungen zur Wirklichkeit der Wissenschaft. Frankfurt am Main, S. 373.

A

Adressat:innen

Der Begriff Adressat:innen bezeichnet in der Sozialen Arbeit die Personen oder Gruppen, die soziale Dienstleistungen, Beratungen oder Unterstützungsangebote in Anspruch nehmen. Dazu zählen beispielsweise Kinder und Jugendliche, Familien, Menschen mit Beeinträchtigung oder Fluchterfahrung oder sozial Benachteiligte.

Der Begriff wird verwendet, um eine neutrale und wertschätzende Bezeichnung für die Zielgruppen Sozialer Arbeit zu bieten, ohne sie als „Klient:innen“ oder „Hilfsbedürftige“ zu stigmatisieren. Er verdeutlicht, dass sie nicht nur Empfänger:innen von Leistungen sind, sondern aktiv in Prozesse einbezogen werden. Der Unterschied zum Begriff Zielgruppe liegt vor allem in der Beziehung und der Rolle der beteiligten Personen: Zielgruppe stammt eher aus dem Marketing und beschreibt Menschen, für die ein Angebot konzipiert wurde, ohne dass sie zwingend einbezogen oder beteiligt sind. In der Sozialen Arbeit wird häufig der Begriff „Adressat:innen“ bevorzugt, weil es den Fokus auf eine gleichberechtigte Zusammenarbeit legt, während „Zielgruppe“ eher eine einseitige Ansprache impliziert.

C

Chancengleichheit

Chancengleichheit bezeichnet die faire Verteilung von Möglichkeiten und Ressourcen, sodass alle Menschen unabhängig von Herkunft, Geschlecht oder sozialem Status die gleichen Chancen auf Bildung, Beruf und gesellschaftliche Teilhabe haben. Es geht nicht um gleiche Ergebnisse, sondern um gleiche Ausgangsbedingungen.

Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), 2023. Chancengleichheit | bpb.de

 

 

E

Entitäten

In diesem Kontext bezieht sich "Entitäten" auf feste, klar definierte Einheiten oder Zustände innerhalb eines Systems oder Modells. Laut Meyer ist der Begriff „[…] eine allgemeine Bezeichnung für ein sprachliches bzw. gedankliches Objekt oder für ein außersprachliches Bezugsobjekt“, ohne weitere Aussage über die Beschaffenheit des Objekts. 

Vgl. Meyer, M. F. (2008): Entität. In Prechtl, P., Burkard F.-P. (Hrsg.): Metzler Lexikon Philosophie. Stuttgart. S. 126.

F

Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ)

Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) ist ein staatlich gefördertes Bildungs- und Orientierungsjahr für junge Menschen zwischen 16 und 27 Jahren. Es bietet ihnen die Möglichkeit, sich in sozialen, kulturellen, ökologischen oder sportlichen Bereichen zu engagieren und dabei wertvolle praktische Erfahrungen zu sammeln. Das FSJ dauert in der Regel 6 bis 12 Monate und wird durch pädagogische Begleitseminare ergänzt.

G

Gewaltprävention

Gewaltprävention umfasst Maßnahmen zur Verhinderung, Minderung und Bewältigung von Gewalt durch pädagogische, soziale und strukturelle Ansätze. Sie erfolgt auf drei Ebenen: Primärprävention (Sensibilisierung, Stärkung sozialer Kompetenzen), Sekundärprävention (frühe Intervention bei Risikogruppen) und Tertiärprävention (Unterstützung von Betroffenen, Reintegration). Je nach Präventionsstufe sind spezifische Qualifikationen und Zugänge erforderlich. Während in der Primärprävention pädagogische Ansätze und allgemeine Präventionskompetenzen ausreichen, sind in der Sekundär- und Tertiärprävention spezialisierte Fachkräfte notwendig. Da Gewalt in diesen Stufen oft tief verwurzelte Verhaltensmuster betrifft, sind fundierte Kenntnisse in z.B. Traumapädagogik, Krisenintervention und therapeutischer Arbeit hilfreich. Ziel von Gewaltprävention ist ein friedliches Miteinander, Stärkung individueller Ressourcen und gesellschaftlicher Zusammenhalt.

J

Justizvollzugsanstalt

Eine Justizvollzugsanstalt (JVA) ist eine staatliche Einrichtung, in der Personen eine gerichtlich verhängte Freiheitsstrafe oder Untersuchungshaft verbüßen. Ziel des Justizvollzugs ist neben der sicheren Unterbringung von Inhaftierten vor allem die Resozialisierung, also die Wiedereingliederung in die Gesellschaft nach der Haft.

Der Jugendvollzug unterscheidet sich in mehreren wesentlichen Punkten vom Erwachsenenvollzug. Während Erwachsene eine Freiheitsstrafe nach dem Strafgesetzbuch (StGB) verbüßen, unterliegen Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 21 Jahren dem Jugendgerichtsgesetz (JGG), das den Erziehungsgedanken in den Vordergrund stellt. Ziel des Jugendvollzugs ist nicht nur die Bestrafung, sondern vor allem die Erziehung, Förderung und Resozialisierung der jungen Menschen, um ihnen eine Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen. Daher sind Jugendstrafanstalten anders organisiert als reguläre Justizvollzugsanstalten. Der Alltag ist stärker auf Schule, Ausbildung und soziale Trainingsmaßnahmen ausgerichtet. Es gibt intensivere sozialpädagogische Betreuung, verpflichtende Bildungsangebote und verstärkte Freizeit- und Sportprogramme. 

K

Kindertagesstätte (Kita)

Eine Kindertagesstätte (Kita) ist eine pädagogische Einrichtung für die Betreuung und frühkindliche Bildung von Kindern bis zum Schuleintritt. Sie umfasst Krippen für Kinder unter drei Jahren, Kindergärten für Kinder von drei Jahren bis zur Einschulung sowie Horte als ergänzende Betreuung für Schulkinder. Neben der Betreuung übernehmen Kitas eine zentrale Rolle in der frühkindlichen Förderung, indem sie kognitive, sprachliche, motorische und soziale Kompetenzen stärken. Darüber hinaus unterstützen Kitas die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, indem sie Eltern entlasten und eine verlässliche Betreuung sicherstellen. In Deutschland ist der gesetzliche Anspruch auf einen Kita-Platz in § 24 SGB VIII geregelt. 

Kindeswohlgefährdung

Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn das physische, psychische oder seelische Wohl eines Kindes oder Jugendlichen so stark beeinträchtigt wird, dass eine erhebliche Schädigung droht oder bereits eingetreten ist. Laut § 1666 BGB und § 8a SGB VIII ist eine Gefährdung gegeben, wenn eine Vernachlässigung, Misshandlung oder andere Formen der Gewalt vorliegen, die das Wohl des Kindes gefährden. Formen der Kindeswohlgefährdung: Körperliche Gewalt z. B. Schläge, körperliche Misshandlung, Psychische Gewalt z. B. Demütigung, Einschüchterung, emotionale Vernachlässigung, Sexuelle Gewalt z. B. Übergriffe, Missbrauch oder Vernachlässigung z. B. unzureichende Versorgung mit Nahrung, Hygiene, medizinischer Betreuung. Eine Kindeswohlgefährdung kann durch Eltern, Erziehungsberechtigte oder andere Bezugspersonen verursacht werden. Falls eine akute Gefahr besteht, sind Fachkräfte verpflichtet, Maßnahmen zum Schutz des Kindes zu ergreifen.

R

Reflexion

Reflexion bezeichnet den bewussten Prozess des Nachdenkens über Erfahrungen, Handlungen und deren Auswirkungen, um das eigene Verhalten zu reflektieren und zu verstehen. Die verschiedenen Methoden helfen, eigene Perspektiven zu hinterfragen, Handlungskompetenzen zu erweitern und Verhaltensmuster zu verändern. In der Sozialen Arbeit kann zwischen „Reflexion als Fachkraft“ oder „Reflexion mit Adressat:innen“ unterschieden werden. 

Reflexion als Sozialarbeiter:in I Fachkraft: Die Reflexion dient der professionellen Weiterentwicklung und Qualitätssicherung. Sozialarbeiter:innen analysieren ihre eigenen Handlungen, Haltungen und Methoden kritisch, um ihre Arbeit zu verbessern. Techniken wie Supervision, kollegiale Beratung, Fallbesprechungen, Tagebuchanalyse und Selbstreflexionsfragen helfen, blinde Flecken zu erkennen, eigene Werte zu reflektieren und professionelles Handeln weiterzuentwickeln.

Reflexion mit Adressat:innen: Hier geht es um die Begleitung der Adressat:innen in ihrem individuellen Lern- und Entwicklungsprozess. Durch gezielte Reflexionsmethoden wie Gesprächsanalyse, biografische Arbeit, Feedbackrunden, kreative Methoden (z. B. Schreib- oder Bildarbeit) und Rollenspiele werden Erfahrungen gemeinsam reflektiert, Handlungsmöglichkeiten erweitert und Problemlösungsstrategien entwickelt. Ziel ist die Förderung von Selbstbewusstsein, sozialer Kompetenz und eigenverantwortlichem Handeln.

Risikoanalyse

Eine Risikoanalyse im Bereich Gewaltprävention ist ein systematischer Prozess zur Identifikation, Bewertung und Minimierung von Risiken, die zu Gewalt führen oder diese begünstigen können. Sie hilft Organisationen, Vereinen, Schulen oder anderen sozialen Einrichtungen, potenzielle Gefahren frühzeitig zu erkennen und gezielte Maßnahmen zu entwickeln. Dies kann Schutzkonzepte, Schulungen, klare Handlungsrichtlinien, Ansprechpersonen oder räumliche Veränderungen umfassen.

S

Soziale Arbeit

Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit [4], der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein.

Sozialraum

In der Sozialen Arbeit bezeichnet der Begriff Sozialraum die Verbindung von sozialen und räumlichen Aspekten eines Lebensbereichs. Er umfasst sowohl die physische Umgebung, wie Stadtteile oder Nachbarschaften, als auch die sozialen Beziehungen und Netzwerke, die dort bestehen. Sozialräume werden durch das Zusammenspiel von räumlichen Bedingungen und sozialen Prozessen kontinuierlich gestaltet und beeinflusst. Dieses Verständnis ermöglicht es Fachkräften der Sozialen Arbeit, die Lebenswelten von Individuen und Gemeinschaften ganzheitlich zu betrachten und entsprechende Unterstützungsangebote zu entwickeln.

Reutlinger, C. & Deinet, U. (2022). Sozialraum. SocialNet. Sozialraum | socialnet Lexikon

Startchancen-Programm

Das Startchancen-Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ist ein gemeinsames Vorhaben von Bund und Ländern zur Förderung von Schulen mit einem hohen Anteil sozial benachteiligter Schülerinnen und Schüler. Mit einer Laufzeit von zehn Jahren und einem Gesamtvolumen von rund 20 Milliarden Euro stellt es das bisher umfangreichste Bildungsprogramm in der Bundesrepublik Deutschland dar.

Ziel ist es, durch gezielte Maßnahmen die Bildungschancen unabhängig von der sozialen Herkunft zu verbessern. Etwa 4.000 Schulen sollen bedarfsgerecht unterstützt werden, wobei der Fokus auf der Förderung grundlegender Kompetenzen wie Lesen, Schreiben und Rechnen liegt. 

Die Umsetzung erfolgt über drei Programmsäulen: Investitionen in eine zeitgemäße Lernumgebung, individuelle Chancenbudgets zur Schul- und Unterrichtsentwicklung sowie die Stärkung multiprofessioneller Teams durch zusätzliches Personal. Das Programm wird wissenschaftlich begleitet und durch eine digitale Transferplattform ergänzt, um die Umsetzung und Weiterentwicklung zu unterstützen.

Weitere Informationen: Startchancen-Programm - BMBF